Manfred Schneckenburger über Walter Urbach
Es grenzt an ein Paradox. Gegen 1970, als die Ästhetik von Fleck, Geste, Spur, Pinselschrift weithin zu dekorativen Mustern abflaut, knüpft Walter Urbach an eben diese Ästhetik an, Schlagwörter abstrakter Expressionismus, Informel. Der professionelle Lithograph und Graphic Designer wendet sich, fast 50-jährig, zur Malerei. Eine im Stillen aufregende künstlerische Biographie: ein Nachzügler, der zu seiner Generation aufschließt, die Schwächen der späten Ausläufer souverän umgeht, ein glänzendes Oeuvre nachreicht.
Sehr rasch, sehr sicher, wie aufgestaut, findet er seinen eigenen malerischen Gestus, eigenen farbigen Akkord. Ein Unzeitgemäßer? Eher ein Zeitgenosse, der seiner Generation treu bleibt, und binnen kurzem ihr Erbe revitalisiert, stärkt und kräftigt. Ein Maler der zweiten Stunde, die zur ersten wird. Er hat seine künstlerischen Reserven lange gespeichert, ehe er sie ins Blühen treibt.
Wo Urbach seinen Mohn gepflanzt hat, wachsen Landschaften nach. Auch der Mohn nimmt, ins Überdimensionale gesteigert, landschaftliche Züge an. Das alles verschmilzt im autonomen Malprozess zu einem malerischen Drama, einer malerischen Poesie aus Farbe und Gegenfarbe, Bewegung und Gegenbewegung, Verdichtung und Lockerung. Wer darin auch existenzielle Erfahrungen sieht, tut den Bildern keinen Zwang an.
1997 wanderte Urbach auf Sizilien. Er bestieg den Ätna und überquerte die schwarzen Lavahalden. Mit einem Mal war evident, was er in seien Bildern schon immer geahnt hatte: die bestürzende Nähe von Landschaft und Blume, Berg und Blüte, der ins Riesenhafte gewachsene Mohn "als Naturereignis, als ausbrechender Vulkan" (Gisela Götte, schon 1989, lange vor dem Aufstieg zum Vulkan). Seitdem malt Urbach die Serie "Ätna Mohn".
Elmar Zorn über Walter Urbach:
Mit einer Gestaltungssicherheit im Verfügen über die Riesenfläche der Leinwand, die in der abstrakten Malerei von heute nicht so schnell auf Vergleichbares stößt - wir erleben bei anderen Malern angesichts solcher Formate eher eine Fokussierung auf Teilbereiche der Malfläche bei Zurücktreten der Restfläche - füllt Urbach jeden Zentimeter der Gesamtfläche.
Dieter Ronte über Walter Urbach:
Die Erinnerung der Farben ist natürlich stärker als das Modell. Man muss aber davon ausgehen, dass Urbach das Modell in dem Sinne, wie es der klassische Maler, der akademische Maler braucht, nicht benötigt. Ob er nun Mohn oder Vulkan malt, die Erinnerung der Farben kommt aus dem Künstler selbst. Es sind die Farben des Bildes, nicht die Farben einer möglicherweise dargestellten Erinnerung. Insofern sind alle Bilder geographisch bedingte Erinnerungen, die in ihrer Farbigkeit von großer Unabhängigkeit sind.
Alle Zitate sind dem Katalog entnommen, der 1999 anlässlich einer Ausstellung der Galerie Siegfried Blau in Düsseldorf erschienen ist.
Autoren:
Prof. Dr. Manfred Schneckenburger, Kunstakademie Münster
Prof. Dr. Dieter Ronte, Direktor Kunstmuseum Bonn
Dr. Elmar Zorn, München
Matthäuskirche 2013
papaver - Auslaufende Fassungen
Arbeiten auf Leinwand und Papier
Matthäuskirche
Frankfurt am Main
9.Oktober - 4.November 2013
Manfred Schneckenburger in seiner Eröffnungsrede:
Mit seinen Rollbildern bekennt sich Urbach explizit und ohne jeden Hauch von Wettstreit zur chinesischen Kunst, die ihm lebenslang, vor allem aber in den zurückliegenden produktiven vier Jahrzehnten, ein wesentlicher Zustrom war.
Dass er den vor gut zehn Jahren entstandenen Zyklus "Papaver" (Mohn) in monumentale Rollbilder fasst und so sichtbar eindeutig das ureigene Terrain seiner fernöstlichen Anreger betritt, zeigt, wie stark er sich heute weiß, wie fest er der EIGENEN Kraft vertraut - und wie recht er damit tut.
So hat Urbach ein ebenso reiches wie homogenes Spätwerk zwischen Ätna-Mohn und dem Zyklus "Papaver" geschaffen.
Die Rollbilder heben sich mit ihren Lacklasuren deutlich von den farbig kontraststärkeren Ölbildern ab. Das Landschaftliche, feurig Eruptive tritt zurück, Brüche und Risse schließen sich. Die Farben beruhigen sich, OHNE ihre leuchtende Glut zu verlieren. Schwarz und dunkles Braun sammeln sich zu machtvoll tönenden Zeichen wie Klänge von einem dunklen Gong.